Tür an Tür

Eine Fahrt von Schülern des BSZ Schkeuditz auf den Spuren der deutsch-polnischen Geschichte

"Die Erinnerung ist wie das Wasser: Sie ist lebensnotwendig und sie sucht sich ihre eigenen Wege in neue Räume und zu anderen Menschen. … Auch die heutige und die zukünftige Welt müssen wissen, wie das Unrecht, die Sklaverei der Zwangsarbeit und der Massenmord organisiert wurden und wer die Verantwortlichen dafür waren. Dies soll immer wieder dokumentiert und den jungen Menschen erklärt werden“
(Noach Flug sel.a., Auschwitzüberlebender)

 

Aus diesem Grund begaben sich Schülerinnen und Schüler des Beruflichen Schulzentrums Schkeuditz am 12.02.2019 ins polnische Nachbarland und fuhren mit einem Bus von Herolé-Reisen nach Krakau/poln. Kraków. Dort nach neunstündiger Fahrt angekommen, wurde sofort die Erkundung der Stadt in Angriff genommen. Jährlich wird die ehemalige Hauptstadt, die zu den schönsten und ältesten Metropolen Polens gehört, von 9 Millionen, vor allem jungen, Touristen besucht. Grund dafür ist sicherlich, dass die Stadt im II. Weltkrieg nicht zerstört wurde und deshalb eine der vollständigsten Bausubstanzen von der Romantik bis zum Jugendstil Europas mit vielen Baudenkmälern aus der Gotik und der Renaissance besitzt. So brachten die meisten von uns den Abend im Herzen der Altstadt bei deftigen polnischen Gerichten zum Abschluss.

 

Gleich am nächsten Tag besichtigten die Klassen der Fachoberschule für Wirtschaft und Verwaltung, des Tischlerhandwerkes sowie des Verkehrsgewerbes die Gedenkstätten Auschwitz und Auschwitz-Birkenau. Nach der Ankunft mit unserem Reisebus erwartete die Exkursionsgruppe ein trübes und regnerisches Wetter. Die Kälte stieg den Wartenden in die Knochen. Beklommene Gesichter warteten unweit des Einganges auf die angekündigte Fremdenführerin. Nach dem Prozedere der Eingangskontrolle durchlief die Gruppe zunächst das Stammlager. Hier wurden wir durch unsere deutschsprachige Fremdenführerin mit der ursprünglichen Nutzung der Gedenkstätte vertraut gemacht. Eindrucksvoll und dennoch beklemmend lauschten wir ihren Ausführungen. Die Stätte diente vormals der polnischen Armee. Nach dem Ausbruch des 2. Weltkrieges mit dem Überfall auf Polen wurde das Gebiet ab dem 1. September 1939 durch Deutsche besetzt. Der zunächst als Konzentrations- und Arbeitslager errichtete Komplex des Stammlagers wurde im Jahr 1940 durch die deutschen Besatzer errichtet. Mehr als 300 Zwangsarbeiter jüdischen Glaubens mussten auf Geheiß der Nationalsozialisten die Stätte umbauen und ergänzen. Die meisten der Verpflichteten kamen aus Oświęcim. Unsere Führung durch das Lager folgte einem festen Ablauf und Zeitplan. Entlang einer der einfachen bräunlichen Baracken, wortkarg durch den aufgeweichten Schotter gehend, kamen wir zu den backsteinernen Gebäuden und dem Eingangstor, das traurige Bekanntheit durch den zynischen Schriftzug „Arbeit macht frei“ erlangte, durch welches wir das Vernichtungslager betraten. In den festen Gebäuden wurde uns die Deportation und Internierung der Opfer beschrieben. Wie Zwangsarbeit, medizinische Versuche oder drakonische Strafen, beispielsweise die „Stehzelle“, das Leid der Menschen bestimmten, gefolgt von Tod durch Ausbeutung, Entkräftung und Ermordung.

Mit dem Bus fuhr die Exkursionsgruppe, in Begleitung der Fremdenführerin, in das drei Kilometer entfernt gelegene Außenlager. Im Jahr 1941 wurde das Stammlager um einen größeren Komplex erweitert, dessen Bezeichnung „Auschwitz II“ oder auch Auschwitz-Birkenau trug. Angekommen gingen wir durch das bekannte Torhaus, welches der Durchfahrt der ankommenden Züge diente. Die Deportierten wurden in hölzernen Viehwagons, oft nach tagelanger Fahrt, in die entfremdete Landschaft überführt. Entgegen der Vorgehensweise im Stammlager wurde in Auschwitz II sofort bei der Ankunft der Häftlinge selektiert. Gesunde und Arbeitsfähige getrennt von den Schwachen, Alten, Kleinkindern und Kranken. Ganze Familien wurden durch diese Prozedur entzweit. Die Gesunden wurden zumeist zum Arbeitsdienst verpflichtet, die Ausgesonderten unmittelbar der Vergasung zugeführt. Vor Ort gingen wir den nassen Boden entlang der Zäune und Baracken. Kälte, pfeifende Winde und der Anblick des Lagers ließen so manchen Besucher nahezu erstarren. Von den vormaligen Gebäuden sind oft nur noch die Fragmente der ehemaligen Unterkünfte und Wirtschaftsgebäude erkennbar. Wie nach Hilfe greifende Hände ragen die Kamine der Krematorien aus den Überresten der vormaligen abgebrannten Baracken hervor. In zwei rekonstruierten Unterkünften wurde uns vom Lebensalltag der Insassen berichtet, die auf engstem Raum um das tagtägliche Überleben kämpften. Die Häftlinge arbeiteten für deutsche Unternehmen wie den Buna-Werken und der I.G. Farben AG. Hier wurden Häftlinge zur Kriegsproduktion in Arbeit verpflichtet und zu Tode getrieben. Vernichtung durch Arbeit. Mit dem Heranrücken der Roten Armee begann ab dem 18. Januar 1945 die Räumung des gesamten Lagerkomplexes. Auf den sogenannten Todesmärschen kamen weitere tausende Menschen, auf dem Weg in den Westen, ums Leben. Am 27. Januar 1945 wurde Auschwitz durch die Rote Armee befreit.

In der Zeit der nationalsozialistischen Besetzung wurden in Auschwitz mehr als 1.100.000 Menschen jüdischen Glaubens vernichtet, 140.000 Bürger Polens, 20.000 Sinti- und Roma sowie mehr als 10.000 Kriegsgefangene aus der Sowjetunion und 10.000 weiteren Kriegsgefangenen verschiedenster Nationalitäten. Auschwitz gilt als das größte Vernichtungslager während der Zeit des Nationalsozialismus. Der Name allein ist das Sinnbild für die systematische Ausbeutung, Entmenschlichung und Vernichtung der europäischen Juden.

Die Zeit in Auschwitz verdeutlichte allen Schülerinnen und Schüler sowie den Lehrkräften, nachhaltig das Elend und das begangene Unrecht. Dieser Ort ist ein Zeitzeugnis unserer jüngeren Vergangenheit. Der Ort mahnt die nachkommenden Generationen in dem Bewusstsein, dass ein solches Martyrium nicht wiedergeschehen darf. Die Toten mahnen uns.

Außergewöhnlich ruhig und mit Demut im Herzen wurde die Heimreise zum Hostel angetreten.

Der Donnerstag war ganz der Besichtigung der Stadt Krakau gewidmet. Um 10 Uhr begann unser Stadtrundgang mit Ilona am Hostel. Entlang des Parkrings Planty und der Überreste der mittelalterlichen Stadtmauer ging es als erstes zur Jagellonen-Universität, die 1364 vom polnischen König Kasimir dem Großen gegründet wurde und damit die zweitälteste Universität in Mitteleuropa ist. Dabei beeindruckten uns sowohl Informationen über berühmte Studenten, wie Nikolaus Kopernikus und Papst Johannes Paul II., als auch die Architektur des alten Hauptgebäudes mit seinen Arkaden, tierischen Wasserspeiern, außergewöhnlichen Portalen und Türen. Der nächste Stopp war unter dem Papstfenster des Bischofspalastes, in dem Papst Johannes Paul II. während seiner Aufenthalte in der Stadt wohnte.

Ein längerer Aufenthalt war auf dem Wawel, 228 Meter über dem Meeresspiegel am linken Ufer der Weichsel gelegen, notwendig. Auf diesem Kalkfelsen befinden sich neben der Kathedrale und der Burganlage der ehemaligen Residenz der polnischen Könige weitere historische Bauten. Die Kathedrale des Heiligen Stanislaus weist gotische, romanische und barocke Architektur auf und ist die letzte Ruhestätte beinahe aller polnischen Könige und einiger polnischer Nationalhelden, wie dem Verfechter der polnischen Unabhängigkeit Jozef Pilsudski. Außergewöhnlich sind die urzeitlichen Knochen eines Mammuts, eines Wals und eines Wollnashorns, die mit schmiedeeisernen Ketten an der Treppe befestigt sind. Das gesamte Bauensemble ist zusammen mit der Altstadt Weltkulturerbe der UNESCO.

Für Erheiterung beim Verlassen des Wawels sorgte der Wawel-Drache, eine Skulptur am Rande der Drachenhöhle, die stündlich Feuer spuckt.

In Anknüpfung an die Exkursion vom Vortag baten wir Ilona, uns Kazimierz, das jüdische Viertel, zu zeigen, das bis 1800 eine eigenständige Stadt gewesen war. Heute ist es Szene- und Kneipenviertel und mit seinen 7 Synagogen, jüdischem Friedhof, Bet- und Badehäusern zugleich Stätte der Tradition. Sehr interessant war vor allem der Besuch der Ulica Szeroka, denn hier fanden zahlreiche Filmaufnahmen zu Schindlers Liste statt. Nicht wenige von uns hatten im Vorfeld der Fahrt oder auch vor Ort genau diesen Film wieder einmal angeschaut.

Den Abschluss des Rundgangs bildete der Besuch des Hauptmarktes von Krakau, Rynek Glowny, der Herzstück und Wahrzeichen der Stadt ist. Mit 40.000 m² ist er einer der größten mittelalterlichen Plätze Europas und beeindruckt nicht nur durch die Marienkirche, eine von über 100 Kirchen der Stadt. Stündlich ertönt aus einem der Türme ein Trompetensignal, in Erinnerung an den tapferen Trompeter, der starb, während er die Krakauer vor einem bevorstehenden Tartarenangriff warnte. Imposant thronen in der Mitte des Marktplatzes die Tuchhallen, die ein schönes Beispiel für die Architektur der Renaissance bieten. Heute können Touristen in unterirdischen Gewölben die Geschichte der Stadt erleben und oberhalb in den Geschäften kunsthandwerkliche Stücke und Kitsch erwerben.

Dass es am nächsten Tag schon wieder Richtung Heimat ging, stimmte viele traurig, denn Krakau hat so viel Sehenswertes, so viel Geschichte zu bieten, dass die Zeit nur für einen Bruchteil dessen ausreichte und eine Wiederkehr notwendig ist.

Verfasser:

Schüler der FOS17 und Frau Oversberg-Mann

   

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